Interview mit Ismet Himmet,
Hauptlehrer des Wudang Pai Systems in Deutschland/
Leiter der Akademie der Kampfkünste in Berlin

 

KFSB: In welchem Stadtbezirk unterrichten Sie?
I.Himmet: Wir unterrichten/trainieren in den Bezirken Wilmersdorf- Charlottenburg und Tiergarten. Unser Hauptsitz ist in Wilmersdorf.

KFSB: Welchen Stil unterrichten Sie, und wie würden Sie diesen Stil charakterisieren?
I.Himmet: Die Antwort auf diese Frage würde den Rahmen sprengen. Wu Dang Pai ist ein Sammelbegriff für mehrere hundert Stile, die auf der Gebirgskette "Wu Dang Shan" in Zentralchina (Hubei Provinz) praktiziert werden.

Hierzulande sind einige dieser Systeme bekannt. Diese sind Taijiquan, Xingyiquan, Baguazhang und verschiedene Arten von Qi Gong. Wir unterrichten diese und weitere Systeme aus den Bergen von Wu Dang in ihrer ursprünglichen Form. Einerseits sind diese Systeme "Gesundheitssysteme", andererseits aber auch "Kampfsysteme". Darüber hinaus auch "Lebens- und Läuterungswege" für Menschen, die auf der Suche sind - auf der Suche nach sich selbst.


         

Schriftzeichen "Tai Ji Quan" und "Xing Yi Quan"



          

Schriftzeichen "Bagua Zhang" und "Qi Gong"

Und gerade letztere Aspekte, d.h. der kämpferische Aspekt und der Aspekt der Selbsterkenntnis wurden/werden meines Erachtens in den so genannten "Inneren Stilen" in unserem Land leider nur teilweise vermittelt.

Deshalb sehen wir die Akademie der Kampfkünste und die Wudang Deutschland Organisation derzeit als eine Art Prototyp einer solchen Ausbildungsstätte, mit der Hoffnung, dass derartige und noch bessere Ausbildungsstätten deutschlandweit mit den verschiedensten Kampfkunstrichtungen erfolgreich eröffnet und geführt werden.

KFSB: Welche Voraussetzungen sollte ein Schüler der bei Ihnen beginnen möchte mitbringen?
I.Himmet: Wille - das ist die Voraussetzung! Denn diese bringt alle anderen mit sich!

KFSB: Wie verläuft die Ausbildung an Ihrer Schule?
I.Himmet: Da gibt es drei verschiedene Varianten; einmal als Freizeit-Hobby, einmal als Intensivausbildung und einmal als Privatausbildung. Bei den letzteren beiden wird gezielt auf Fähigkeiten trainiert. Es sind 18 theoretische und 18 praktische Ebenen/Vertiefungsstufen. Es ist eine Menge Stoff, aber auch eine Menge Training!

KFSB: Wie lang ist eine Trainingseinheit und wie verläuft das Training?
I.Himmet: Eine Einheit geht 1,5 Stunden und beginnt mit der kurzen Aufwärmung und Dehnungsphase, danach das Wichtigste: Qi Gong (Energie-Arbeit) etwa eine halbe Stunde, hiernach kommen die Formen und ggf. die dazu gehörigen Anwendungen, sprich Partnertraining.

KFSB: Wie oft kann man in Ihrer Schule trainieren?
I.Himmet: Man kann sechs mal die Woche und 16 Stunden täglich trainieren.

KFSB: Spielen in Ihrem Unterricht andere traditionelle Elemente/ Künste wie z.B. Löwentanz eine Rolle?
I.Himmet: Löwentanz nicht, aber einige sehr wichtige Prinzipien und Verhaltenssätze, die sich aus der natürlichen Lehre des Daoismus ergeben. Diese sind in aller erster Linie: Freundlichkeit (aber keine Gespielte), Respekt (aber keine Äußerliche/Förmliche), Hilfsbereitschaft (aber ohne Gegenerwartungen), Toleranz (aber ohne Verlust des eigenen Weges), Friedlichkeit (aber nicht um aufzufallen), Mut (aber nicht um zu beeindrucken), Wissensdurst (aber ohne über das eigene Wissen zu prahlen), Motivation (die stetig ist und nicht übertrieben aber kurz).

KFSB: Welchen Stellenwert besitzen Formen in Ihrem Unterricht?
I.Himmet: Formen bilden die Basis unserer Künste. Viele haben einen falschen Eindruck über Formen und sprechen immer wieder den kämpferischen Aspekt an, und dass man "mit Formen doch nicht kämpfen könne…"

Nun, dies möchte und wollte man mit Formen auch nie erreichen. Formen sollte man eher als "Workout" betrachten, wofür sie ursprünglich auch entwickelt wurden. Jeder Profi-Boxer wird heute sein Hanteltraining, sein Schattenboxen und auch Gewichtstraining, oder Seilspringen und Joggen absolvieren.

Nun kann man doch nicht zu Mike gehen und sagen, "das Seilspringen ist doch nichts für den Kampf…" Wie die westlichen Kampfkunstarten ihre eigenen "Workouts" haben, so haben die fernöstlichen Systeme ebenfalls ihre eigenen "Workouts". Sicherlich sollte man diese dann auch wirklich als "Workout" ausüben und nicht als "Vorführ-Tänze".

KFSB: Welche Rolle spielen Beintechniken in Ihrem Training?
I.Himmet: Beintechniken spielen eher als "Bein- und Schrittarbeit" eine große Rolle. Als "Kicks" spielen die Beintechniken lediglich im Kampftraining eine Rolle. Sie werden sorgfältig und ausgiebig trainiert, so dass der Schüler als erstes die Hüfte, dann die Beine und schließlich die Tritte (und die dazugehörige Oberkörperarbeit) sicher und effektiv beherrschen kann.

KFSB: Welche Rolle spielt der Freikampf?
I.Himmet: Wir haben in der Woche auch zwei Einheiten in denen wir Kampftraining praktizieren. In den ersten Wochen und Monaten wird auf "Frei"-Kampf verzichtet. In dieser Zeit wird eher ausgiebig die Basis des Kampfes geschult.

Später fängt man langsam aber sicher an, Distanztraining zu involvieren, damit man überhaupt ein Gefühl zum "beweglichen" Partner/Gegner bekommt. Hiernach kommen verschiedene Übungen zur Distanz-"Kontrolle". Schließlich kommen die ersten Sparringserfahrungen unter einer kontrollierten Atmosphäre.

KFSB: Wird auf SV-Anwendungen eingegangen?
I.Himmet: Selbstverständlich. Sonst wäre es keine Kampfkunst.

KFSB: Spielt Akrobatik im Unterricht eine Rolle, muß man sehr fit und
beweglich sein?
I.Himmet: Nein, bei Wu Dang Pai spielt Akrobatik keine große Rolle, aber die Beweglichkeit wird sehr bewusst geschult.

KFSB: Finden auch Wettkämpfe statt?
I.Himmet: Ja. Aber nicht zwingend und nicht so, dass man nur dafür trainiert.

KFSB: Gibt es ein Angebot für Kinder?
I.Himmet: Die untere Grenze des Alters ist 16 Jahre.

KFSB: Werden Waffentechniken unterrichtet?
I.Himmet: Es werden verschiedene Waffen unterrichtet, je nach den Fähigkeiten des Lernenden. Unter all den Waffen ist das Wudang-Schwert wohl am bekanntesten, weshalb wir auch den Schwerpunkt bei den Waffen auf das Schwert (Jian) legen.

KFSB: Spielt geistige Übung (z.B. Meditation) eine Rolle?
I.Himmet: Die Hauptrolle. Wu Dang Pai ist Meditation in Bewegung. Oder sollte es zumindest sein. Es gibt aber auch sitzende, liegende, stehende und bewegliche Meditationen.

Innen stille Meditationen - außen bewegte Meditationen, oder außen stille Meditationen - innen bewegte Meditationen. Alle Aspekte werden praktiziert. Die für den Beginnenden am wichtigsten zu übenden Meditationsformen sind die Stehenden Säulenübungen des Wu Dang Pai.