Interview mit Thorre Schlaméus,
Shifu der Damo Chuan Kung Fu Schule

 

KFSB: In welchem Stadtbezirk unterrichten Sie?
T.Schlaméus: Das Training findet im Bezirk Prenzlauer Berg und in Weißensee statt.

KFSB: Welchen Kung Fu-Stil unterrichten Sie, und wie würden Sie diesen Stil charakterisieren?
T.Schlaméus: In der Damo Chuan Kung Fu Schule unterrichte ich nordchinesisches Kung Fu, das im wesentlichen auf Elementen des Langfaust-Stils (Chang-Chuan/ Changquan) beruht. Natürlich finden sich ebenso einige Techniken der Shaolin-Schule (Shaolin-Chuan/ Shaolinquan), denn diese Schule hat beinahe jeden anderen Kung Fu-Stil insbesondere in Nordchina beeinflußt.

Man kann das Kung Fu unserer Schule folgendermaßen beschreiben: mittelhohe bis tiefe Stellungen, häufiger Wechsel von direkten und elliptischen Bewegungslinien, Wechsel von harten und weichen Blocktechniken, Einsatz von Schlagtechniken mit Faust, Faustrücken, Handfläche, Handkante, Fingerspitzen ("Tigerklaue"), Unterarm, Ellenbogen, Fußspitze, Fußsohle, Fußkante, Ferse, Fußspann, Unterschenkel und Knie, Einsatz von Griff- und Hebeltechniken, Würfen und Bodenkampftechniken.

KFSB: Welche Voraussetzungen sollte ein Schüler der bei Ihnen beginnen möchte mitbringen?
T.Schlaméus: Ich würde die Frage anders formulieren, denn jemand, der das Üben im Kung Fu beginnt, ist eigentlich noch kein Schüler. Er muß erst herausfinden, ob er mit dem Training etwas anfangen kann. Sieht man es so, dann muß ein Anfänger nicht mehr mitbringen, als ein wirkliches Interesse daran, was im Unterricht passiert.

KFSB: Wie verläuft die Kung Fu-Ausbildung an Ihrer Schule?
T.Schlaméus: Die Ausbildung verläuft traditionellerweise vom Üben ganz einfacher, grundlegender Dinge (z.B. Kampfstellung, Schritte, Schlag- und Trittvarianten) hin zu den schwierigeren Techniken (z.B. Kombinationen, Hebel- und Grifftechniken, Sprünge) und Anwendungen (z.B. Freikampf).

KFSB: Wie lang ist eine Trainingseinheit und wie verläuft das Training?
T.Schlaméus: Eine Trainingseinheit entspricht zwei Zeitstunden. Das Training gliedert sich in einen Einführungsteil, einen Hauptteil und einen Abschlußteil. In der ersten Phase, der Einführung, wird der Körper auf das Training vorbereitet. Hier finden Erwärmungs-, Konditions-, Lockerungs- und Atemübungen statt. Im Hauptteil werden verschiedene Techniken und Anwendungen trainiert (z.B. Beinschläge, Faustschläge, Formen, kombinierte Angriffs- und Verteidigungstechniken). Der Abschlußteil besteht dann aus Atemübungen sowie aus Lockerungs- und Dehnungsübungen, um den Körper zur Ruhe kommen zu lassen.

KFSB: Wie oft kann man in Ihrer Schule trainieren?
T.Schlaméus: Das reguläre Training findet drei mal pro Woche statt, das sind also sechs Zeitstunden. Außerdem werden zusätzliche Trainingseinheiten im Freien (im Park) angeboten.

KFSB: Spielen andere traditionelle Elemente/ Künste wie z.B. Löwentanz eine Rolle?
T.Schlaméus: In unserer Schule wird neben dem Kung Fu-Training auch ein Einführungskurs in das traditionelle Brettspiel Weiqi (Go) angeboten. Ich vertrete die Auffassung, daß dieses Spiel für das Verständnis der chinesischen Philosophie von Yin und Yang, dem Wechselspiel der universellen Kräfte - um die es ja auch im Kung Fu geht - einen hohen Wert besitzt.

KFSB: Welchen Stellenwert besitzen Formen in Ihrem Unterricht?
T.Schlaméus: Formen sind ein fester Bestandteil des Unterrichts. Sie werden in nahezu jedem Training geübt.

KFSB: Welche Rolle spielen Beintechniken in Ihrem Training?
T.Schlaméus: Beintechniken werden häufig geübt, denn sie sind ein wichtiges Element im kämpferischen Arsenal des Damo Chuan Kung Fu. Der Anfänger erlernt sechs Beintechniken, die Fortgeschrittenen beschäftigen sich mit weiteren zehn Beintechniken und üben sich in zahlreichen Kombinationsvarianten.

KFSB: Welche Rolle spielt der Freikampf?
T.Schlaméus: Der Freikampf wird im Damo Chuan Kung Fu in unterschiedlichen Varianten geübt. Voraussetzung dafür ist allerdings ein grundlegendes Verständnis der Basistechniken. Freies Kämpfen ist wichtig, um sich von routinierten Abläufen zu lösen. Erst durch das Freie Kämpfen werden formale Techniken in reale Anwendungen transformiert.

KFSB: Wird auf SV-Anwendungen eingegangen?
T.Schlaméus: Ja, Selbstverteidigung ist ein wichtiges Thema. Die Schüler befassen sich mit verschiedenen Formen des Angriffs, wie er in einer SV-Situation auftreten könnte, z.B. einem Faustschlag oder einem Schwinger, und sie üben angemessene Abwehrtechniken.

KFSB: Spielt Akrobatik eine Rolle?
T.Schlaméus: Kaum. Es gibt einige Techniken und Übungen, die den gesamten Körper sehr intensiv fordern, beispielsweise Sprünge und Bodentechniken, aber akrobatische Elemente wie im modernen Wushu werden bei uns nicht geübt.

KFSB: Finden auch Wettkämpfe statt?
T.Schlaméus: Nein.

KFSB: Gibt es ein Angebot für Kinder?
T.Schlaméus: Leider noch nicht.

KFSB: Werden Waffen unterrichtet?
T.Schlaméus: Ja, im Augenblick wird als Waffentechnik der Langstab unterrichtet. Weitere Waffen werden folgen. Das ist primär eine Frage des Zeitaufwandes, die waffenlosen Techniken im Damo Chuan sind so vielfältig und anspruchsvoll, daß man allein mit diesen Übungen ein ganzes Leben füllen kann.

KFSB: Spielt geistige Übung (z.B. Meditation) eine Rolle?
T.Schlaméus: Es finden für alle Schüler Seminare statt, in denen die Grundlagen geistiger Übung erläutert werden. Langjährige Schüler erhalten einen speziellen Unterricht in verschiedenen Bereichen geistiger Übung.