Die Geschichte Chinas und Europas im Vergleich

eine Gegenüberstellung historischer Entwicklungen in China und Europa
Teil I - Urgeschichte bis 200 v.Chr., von Thorre Schlaméus

 

Über das Verständnis historischer Entwicklungen

Hätte am zweiten Februar des Jahres 1421 in Beijing während der großen Einweihungsfeier der Verbotenenen Stadt zu Ehren des Kaiser Zhu Di jemand die Frage gestellt, weshalb sich unter den achtundzwanzig Königen und Staatsoberhäuptern sowie den zahlreichen Abgesandten aus allen Teilen Asiens, Arabiens und Afrikas, die sich hier in der atemberaubenden Pracht des chinesischen Kaiserhofs versammelt hatten, kein einziger europäischer Würdenträger befand, so wäre diese Frage von den meisten Teilnehmern der Party sicherlich als ein etwas einfältiger Scherz aufgefaßt worden:

Europa galt den Chinesen und ihren Verbündeten einfach als zu rückständig, als zu barbarisch und unzivilisiert, als daß es auf der Gästeliste des mächtigen Kaiser Zhu Di auch nur einen Zentimeter Platz hätte beanspruchen dürfen.

Während die Armada Zhu Dis im Jahre 1421 als Flottenverband von über einhundert riesigen Dschunken und hunderten kleinerer Schiffe mit einer Besatzung von insgesamt dreißigtausend Mann über die Weltmeere segelte, zog Heinrich V. im selben Jahr gegen Frankreich in den Krieg, indem er seine Armee in vier Fischerbooten, die bei jeder Überfahrt gerade einhundert Mann fassen konnten, über den Kanal setzen ließ.

Jede der einhundert Riesendschunken des Kaisers war mit etwa 142 Metern Länge und 55 Metern Breite groß genug, um fünfzig Fischerboote zu verschlingen. Die größte Flotte Europas in dieser Zeit war die Flotte Venedigs - sie bestand aus 300 Galeeren, schnelle, leichte, dünnwandige Schiffe aus Weichholz, die gerudert wurden und im Mittelmeer von Insel zu Insel schipperten. Die größten Venizianischen Schiffe waren etwa 50 Meter lang und konnten höchstens 50 Tonnen Fracht aufnehmen. Zhu Dis Schiffe waren ozeantaugliche Riesenschiffe, die selbst Taifunen widerstanden und zweitausend Tonnen Fracht aufnehmen konnten.

In einer Schlacht zwischen Zhu Dis Armada und den vereinigten Flotten aller anderen Länder der Erde hättern die Chinesen ohne Zweifel den Sieg davongetragen. Tatsächlich blieb die Pracht und Größe der chinesischen Armada des Kaisers Zhu Di ein halbes Jahrtausend lang bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs unübertroffen. Aber auch das Heer Zhu Dis war mehr als beeindruckend. Die chinesische Armee umfaßte eine Million Mann, die mit Gewehren ausgerüstet waren - das Heer Heinrichs V. bestand aus fünftausend Mann, die mit Langbogen, Schwertern und Spießen bewaffnet waren.

Doch nicht nur in militärischen Aspekten war das China Zhu Dis Europa weit überlegen:

Die Hochzeit Heinrichs V. mit Katharina von Valois fand einige Wochen nach der Party in Beijing statt - Zhu Di hatte ungefähr sechsundzwanzigtausend Gäste zum Festbankett geladen, die ein zehngängiges Mahl zu sich nahmen, das in feinsten Porzellanschalen serviert wurde. Zum Hochzeitsbankett von HeinrichV. waren sechshundert Gäste geladen, sie erhielten Stockfisch und gesalzenen Kabeljau auf Scheiben aus altem Brot, die als Teller dienten...

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren die Engländer darauf erpicht, Tee und Porzellan aus China einzuführen. Eine Gesandtschaft der Engländer machte Kratzfuß am Hof in Beijing und versuchte, die von König George III. erhofften Handelsbeziehungen anzuschieben. Kaiser Qianlong sah sich daraufhin veranlaßt, in einigen Briefen an König George III. Klartext zu reden:

"Sie, o König aus der Ferne sehnen sich nach den Segnungen unserer Zivilisation und haben in Ihrem Verlangen, in Berührung zu kommen mit ihrem heilsamen Einfluß, eine Gesandtschaft mit einer Denkschrift über den Ozean geschickt. Ich habe Notiz genommen von Ihrem respektvollen Geist der Unterwerfung und Ihre Gesandtschaft mit höchster Zuvorkommenheit behandelt.

Die majestätische Tugend unseres Reiches hat alle Länder unter dem Himmel durchdrungen, und Könige aller Nationen haben kostbare Tribute geschickt. Wie Ihr Gesandter sehen mag, besitzen wir bereits alles. Ich sehe keinen Wert in unbekannten und kunstreichen Dingen und habe keine Verwendung für die Waren Ihres Landes."


Er schloß seinen Brief mit dem üblichen Kaisergruß: "Gehorche zitternd!" und machte den Gesandten klar, daß sie dahin gehen sollten, wo der Pfeffer wächst. Mit anderen Worten: In der chinesischen Weltsicht waren die Gesellschaften Mittel- und Nordeuropas nicht mehr als unbedeutende Anhängsel Eurasiens, ganz Europa in Sachen Zivilisation ein elender Wurf, nicht der Rede wert und keinesfalls zu vergleichen mit der vielfälftigen und tiefgründigen chinesischen Kultur.

Die fatalen Konsequenzen dieser Fehleinschätzung wurden deutlich, als einige Jahre nach Qianlongs Absage an König George III. englische Kanonenboote erschienen und der darauffolgende Opiumkrieg das riesige Reich der Mitte in ein Chaos stürzte. Nicht nur Engländer, sondern auch Franzosen, Russen, Japaner und Deutsche ließen es sich nun in China gut gehen - das chinesische Kaiserreich hatte keine Chance, sich gegen die Invasoren zur Wehr zu setzen.

Die jahrhundertelang gepflegte Hybris, Zentrum der Welt zu sein (Reich der Mitte), hatte zu einer Isolation Chinas geführt, die mit der chronischen Unterschätzung nichtchinesischer Kulturen einherging. Wie schockierend war nun für Chinas Beamte, Gelehrte und Studenten die Erkenntnis, daß die Gesellschaften des Westens jetzt den Lauf der Welt bestimmten.

Die westlichen Gesellschaften haben sich in der Vergangenheit allerdings ebenfalls kaum darum bemüht, China und seine Kultur zu verstehen. Es gab Zeiten der China-Euphorie, in der man den Reichtum und die Weisheit des Ostens beschwor und Phasen der China-Hysterie, deren Thema "Die gelbe Gefahr" war. China diente und dient den Menschen Europas primär als Ziel eigener Projektionen, von der wirklichen Auseinandersetzung mit dessen Geschichte und Kultur kann nicht die Rede sein. Und dies zeigt sich - wie sollte es anders sein - auch in der Gemeinschaft derjenigen, die sich den traditionellen chinesischen Kampfkünsten widmen.

Historische Entwicklungen zu verstehen, ist für den Kung Fu-Praktiker jedoch von einiger Bedeutung. Gerade das allgemein äußerst unvollständige Wissen über die Ursprünge der chinesischen Kultur fördert in Kampfkunstkreisen eine Form der Legendenbildung, die neben relativ harmlosen Verirrungen letztlich auch zu einer falschen Sicht der Praxis führen kann.

Solange man nicht versteht, auf welchen kulturhistorischen Entwicklungen die chinesischen Kampfkünste gründen, wird auch das Verständnis dieser Kampfkünste selbst begrenzt bleiben.

Ein besonders interessantes Mittel gegen diese Form der Unwissenheit könnte eine Gegenüberstellung der geschichtlichen Ereignisse und Entwicklungen sein, die Europa und China prägten, denn aus dieser Betrachtung ergeben sich vielleicht nicht nur tiefere Einblicke in die "fremde" Kultur Chinas, sondern auch Einsichten in die Frage, weshalb uns diese Kultur eigentlich so fremd erscheint, was also "das Fremde" darin und daran ist.

Und daraus folgt: Es geht hier nicht nur um das Phänomen des Fremden, sondern auch um die Frage, was wir als vertraut empfinden und warum dies so ist. Ein solides Geschichtswissen ermöglicht uns zu begreifen, wer wir sind und woher wir kommen, weil wir die Bedingungen verstehen, die unsere Vorfahren und deren Gesellschaft bestimmt haben.

Dieser Artikel will die geschichtlichen Entwicklungen Europas und Chinas skizzieren und einander gegenüberstellen. Um den hier angemessenen Rahmen nicht zu sprengen, soll eine eher grobe Darstellung der historischen Vorkommnisse genügen.

Die von mir ausgewählten Beispiele werden nicht immer repräsentativ sein, und so sollte auch der Begriff "Vergleich" eher mit Nachsicht betrachtet werden. Es geht mir nicht wirklich um das Vergleichen zweier Kulturen, sondern um den möglichen Erkenntnisgewinn den eine historische Gegenüberstellung verspricht.


Urgeschichte und Vorzeit

Die heute allgemein anerkannte These der menschlichen Urgeschichte bezeichnet Zentralafrika vor ca. 150.000 Jahren als Ursprungsort des modernen Menschen (Homo sapiens). Europa war für den Menschen als Besiedlungsziel nach Afrika und Asien erst die dritte Wahl. Von Afrika aus wanderten Gruppen des Homo sapiens zunächst nach Nordafrika, dann nach Eurasien, Südostasien, Australien und Nord- und Westeuropa.


Ausbreitung des modernen Menschen aus Zentralafrika

Einige chinesische Wissenschaftler behaupten mit großer Hartnäckigkeit, daß die Chinesen nicht vom Homo sapiens, sondern direkt vom Homo erectus abstammen - eine These, die von den Wissenschaftlern der westlichen Welt energisch abgestritten wird.

Dazu sollte vielleicht angemerkt werden, daß sich in der chinesischen Kultur eine auffällige Neigung entwickelt hat, die Gegenwart durch Verweise auf eine besonders rühmliche und langbewährte Vergangenheit zu "veredeln". Möglicherweise ist hier die Ursache für das Beharren chinesischer Wissenschaftler auf dem Vorfahrenstatus des sogenannten Peking-Menschen zu suchen, der vor 400.000 Jahren in der Nähe der heutigen Hauptstadt Bejing lebte und der Gattung Homo erectus angehörte. Wie auch immer, man schätzt, daß die Einwanderung des Homo sapiens aus Afrika nach China vor ungefähr 100.000 bis vor 65.000 Jahren stattfand.

Die Einwanderung des Homo sapiens nach Europa ereignete sich vor ungefähr 45.000 bis 35.000 Jahren. Die Hauptvereisung in Nordeuropa (Skandinavien, Island, Irland, Norden Deutschlands, Polen und Rußland) fand in einem Zeitraum von ungefähr 23.000 bis 8.000 v.Chr. statt. Diese Tatsache läßt erahnen, mit welchen Schwierigkeiten die Menschen hier zu kämpfen hatten.

Zwischen 13.000 und 7000 v.Chr. wird der Wolf domestiziert, und so stellt der Hund das älteste Haustier des Menschen dar. Ab 8.000 v.Chr. wird es recht warm in Europa. Das Abschmelzen der Gletscher führte zur Entstehung vieler Flüsse, dichte Wälder entstanden. Einige Jäger folgten den Eiszeit-Beutetieren (Mammut, Ren, Wildpferd) auf deren Flucht vor der Wärme nach Norden. Viele Menschen jedoch blieben und orientierten sich um: neue Jagdmethoden, neue Beutetiere (Hirsch, Reh, Auerochse). Aufgrund der veränderten Klimabedingungen und den damit verbundenen reichhaltigeren Nahrungsressourcen konnten die Lagerplätze länger genutzt werden.



Anfänge von Landwirtschaft, Töpferei und Metallbearbeitung

Zeugnisse für dauerhafte Siedlungen existieren in Europa seit der Zeit um 7000 v.Chr., sie stellen wohl aber Ausnahmen dar. Die erste Bauernkultur in Mitteleuropa wird als Linienbandkeramische Kultur bezeichnet. Sie war um 5600 bis 4900 v.Chr. im Gebiet des heutigen Südrußland bis nach Frankreich verbreitet. Die meisten Menschen Europas lebten bis um 5000 v.Chr. überwiegend nomadisch. Sie sammelten Pflanzen, fischten und jagten.

Es existierte eine Vielzahl von Stämmen, die aber aufgrund fehlender Schriftdokumente hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Organisationsstrukturen heute nicht detailliert verstanden werden. In dieser Zeit wanderten ackerbautreibende Völker aus dem Orient ein, und so finden sich in Mitteleuropa schon seit der Zeit um 5000 v.Chr. erste Belege für den Anbau von Weizen und Gerste. Außerdem wurden Rinder, Schafe und Schweine gehalten. Um ungefähr 7000 v.Chr. bis 5500 v.Chr. verbreitete sich in Südosteuropa die Töpferei.

Töpfer waren im Umgang mit heißen Feuern (zum Keramikbrennen) bewandert und ihr Wissen ermöglichte es schließlich, Metalle aus Erzen zu schmelzen. Nachdem man eine Weile mit Kupfer experimentiert hatte, fand man heraus, wie durch Verschmelzen von Kupfer und Zinn Bronze entsteht.

Bronze ist viel härter als Kupfer und eignet sich deshalb hervorragend für die Fertigung von Schwertern, Äxten, Speerspitzen und Schaufeln. Das Bearbeiten von Kupfer war auf dem Balkan (Osteuropa) ungefähr seit der Zeit um 5500 v.Chr. üblich.

Der in den Ötztaler Alpen (Südtirol - Italien/ Österreich) gefundene Jungsteinzeitmensch stammt aus einer Zeit ziemlich genau um 3300 v.Chr. Es ist die älteste Mumie der Welt. Er besaß eine Axt aus Kupfer.

In Nordeuropa entstanden schon vor der Kupferzeit, die man in Europa von 4000-3500 v.Chr. ansetzt, ab 4800 v.Chr. die Hünengräber der Megalithkulturen. Insbesondere entlang der europäischen Atlantikküste wurden im Rahmen von Bestattungsritualen große dauerhafte Monumente (Megalithgräber) errichtet. In der Bretagne finden sich beispielsweise Gräber, die aus der Zeit um 4800 bis 4000 v.Chr. stammen. Diese Hügelgräber zählen zu den ältesten Megalithgräbern überhaupt.

In der Zeit zwischen 3400 bis 2800v.Chr. gelangten das Rad und der Wagen nach Mitteleuropa, und seit ca. 2200 v.Chr. kennt man in Europa die Bronzeherstellung. Sie setzt sich allerdings erst gegen 1800 v.Chr. europaweit durch.

Um ca. 2500 v.Chr. tauchen aus dem Osten die indogermanischen Reitervölker auf, sie vermischen sich mit ackerbautreibenden Völkern, und so entstanden europäische Völker wie die Kelten, Germanen, Griechen und Slawen.

In China baute man seit ca. 7000 v.Chr. Reis und Hirse an, insbesondere auf den Lößböden des Gelben Flusses und in den Gegenden um den Yangzi. Aufgrund der schwierigen Bedingungen in Gebieten nahe der großen Flüsse, die häufig von Überschwemmungen heimgesucht wurden, mußten die Menschen lernen, sich effizient zu organisieren.

Der in Schichten bis zu 300 Metern Tiefe in den Provinzen Henan, Shaanxi, Shanxi und Gansu vorkommende Löß ist verfestigter Flugstaub. Er stammt aus den innerasiatischen Steppen und hat sich als äußerst fruchtbarer Boden für landwirtschaftliche Unternehmungen erwiesen. Problematisch ist allerdings, daß die seltenen aber starken Regenfälle Nordchinas gigantische Massen an Löß in den Gelben Fluß spülen, der seinen Namen dem enormen Gehalt an Sedimenten verdankt, die er transportiert.

Zur Zeit sind das ca. 37 Kilogramm pro Kubikmeter Wasser - kein anderer Fluß der Erde befördert solche Massen an Sedimenten. Dort, wo der Fluß die Sedimentmassen wegen mangelnder Fließgeschwindigkeiten nicht mehr transportieren kann, sinken sie zu Boden und erhöhen so das Flußbett - die Folgen sind besonders bei intensiven Regenfällen starke Überschwemmungen mit regelrechten Flutwellen.

Hier überlebten die Menschen nur, weil sie es verstanden, sich trotz dieser häufig wiederkehrenden Katastrophen irgendwie zurechtzufinden. Einige Historiker sehen in dieser erzwungenen Fähigkeit des Überlebens in widrigen Umständen einen Grund für die rasante Entwicklung der späteren Hochkulturen in diesen Gebieten.

Besonders in den Gebieten der heutigen Provinzen Shandong, Shaanxi, Henan und Hebei brodelte das Leben der Jungsteinzeit. Man war mit allerlei Arbeiten beschäftigt, betrieb erfolgreich Ackerbau, züchtete Schweine und hielt Hunde. Die Chinesen töpferten bereits um 10.000 v.Chr. mit Ton. Seit der Zeit um 5000 v.Chr. webten sie Stoffe. Gegen 3000 v.Chr. begannen die Chinesen Schafe, Rinder und Wasserbüffel zu züchten. Sie bearbeiteten Kupfer und Jade. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Ansätze für die weitere Verarbeitung von Metallen.

Erstaunlicherweise legen einige neuere Hinweise die Vermutung nahe, daß bereits ab 4000 v.Chr. Steinspitzen, Bambussplitter und Fischgräten zu Akupunkturzwecken in China eingesetzt wurden.



Xia - Die älteste Dynastie Chinas (um 2205 bis 1700 v.Chr)

Lange Zeit galt die Existenz dieser Dynastie unter Wissenschaftlern umstritten. Für die Chinesen selbst war das allerdings kein Grund, an den mythologischen Ursprüngen ihrer Kultur zu zweifeln. Eine scharfe Unterscheidung zwischen diesen Mythen und den historisch belegbaren Abschnitten der chinesischen Geschichte fand und findet im Bewußtsein der meisten Chinesen nicht statt.

Im Zeitraum der Xia-Dynastie tauchen die ersten mythischen Kultur-Heroen Chinas auf, die sogenannten Drei Erhabenen (San Huang), nämlich Fuxi, Nügua und Shennong. Aufgrund ihres Wirkens entstand die chinesische Kultur, denn sie trennten Mensch von Tier. Fuxi gilt als Erfinder der Jagd und der Fischzucht, Nügua fiel die Aufgabe zu, die Welt wieder ins Lot zu bringen, nachdem der Dämon Gonggong sie verwüstet hatte. Shennong schließlich brachte den Menschen die Kultur des Ackerbaus und der Kochkunst.

Darauf folgte die Herrschaft von fünf mythischen Kaisern, die allesamt weise regierten und den Menschen weitere kulturelle Fähigkeiten vermittelten. Unter dem Kaiser Tangyao kam es zu einer Überschwemmung von apokalyptischen Dimensionen, die der Kaiser nicht einzudämmen vermochte, aber als der Untertan Yu die Fluten bändigte und auf diese Weise den Staat rettete, wurde er zum Kaiser ernannt.

Mit Kaiser Yu wurde die Ära der Erbmonarchie eingeführt - zuvor verlieh man dem Fähigsten den Titel des Kaisers. Kaiser Yu gilt als Begründer der Xia-Dynastie - hier beginnt die belegbare Geschichte der chinesischen Dynastien, denn man geht heute u.a. aufgrund von Fundstätten in der Provinz Henan davon aus, daß es die Xia-Dynastie tatsächlich gegeben hat. Wissenschaftler siedeln sie zeitlich um 2205-1700 v.Chr. an. Man vermutet, daß es sich bei dieser Dynastie um eine Art Stammeszusammenschluß handelte.

Als besonderes Ereignis innerhalb dieser Epoche wird der Beginn der chinesischen Bronzezeit angesehen; um 2000 v.Chr. wurden in Erlitou (Nähe Luoyang) bronzene Weinbehälter gegossen. Das Bronzegießen wird in China zu einer Perfektion entwickelt, die weltweit einzigartig ist.

Ungefähre Ausbreitung der Xia-Dynastie;
Quelle: http://de.wikipedia.org




Hochkulturen in Europa

Die ältesten Hochkulturen in Europa sind die Minoer und die Mykener, sie entwickelten sich auf Kreta und in Griechenland während der späten Bronzezeit um 1900 bis 1250 v.Chr.

Beide Kulturen waren hierarchisch strukturierte und politisch komplexe Gesellschaften. Die Regierungen an der Spitze dieser Gesellschaften walteten von einem zentralen Palast aus, deshalb nennt man die Minoische und die Mykenische Kultur auch "Ägäische Palastkulturen".

Die Minoer auf Kreta, die ihren Namen dem legendären König Minos (Sohn des Zeus und der Europa) verdanken, verwendeten zunächst eine Hieroglyphenschrift und später eine Schrift, die "Linear A" genannt wird. Es existierten vier große kretische Paläste. Die Minoer besaßen ein hoch entwickeltes Verwaltungssystem mit Schreibern, die in den Palästen arbeiteten und diverse bürokratische und wirtschaftliche Transaktionen auf Tontafeln festhielten. Leider ist die Schrift der Minoer nicht entschlüsselt worden.

Die Mykener entwickelten aus der kretischen "Linear A" eine frühe Form des Griechischen, "Linear B" genannt. Im 14. und 13. Jahrhundert v.Chr. wurden in Mykene Paläste gebaut, deren Fundamente auf Burgbergen (Akropolis genannt) innerhalb mächtiger Steinquader lagen.


Minoische und Mykenische Kultur (1900 bis 1250 v.Chr.)


Die Shang-Dynastie in China (um 1700 bis 1027 v.Chr.)

Hier tauchen auf Orakelknochen (Schulterblattknochen von Rindern und Schildkrötenpanzer) die ersten chinesischen Schriftzeichen auf. Orakel spielten besonders im Leben der Shang-Obrigkeit eine große Rolle. Man befragte die Orakel nach dem Ausgang von Feldzügen, Jagden usw. Dazu schrieb man die Fragen auf Knochen, erhitzte diese und interpretierte anschließend die entstandenen Risse.

Einige dieser Schriftzeichen werden noch heute in der chinesischen Schrift benutzt. Allein in Gräbern im Gebiet des heutigen Ortes Anyang wurden 20.000 solcher Orakelknochen gefunden.

Schriftzeichen auf einem Orakelknochen;
Quelle: http://de.wikipedia.org


Wie man sieht, war die Kultur während der Shang-Dynastie schon weit entwickelt. Man kannte bereits eine ausgefeilte Schrift mit ungefähr 5000 Schriftzeichen und zwei Zahlensystemen. Die erste Person des Staates war der König. Er befehligte das Heer, und auch in Fragen des Kultevent-Managements galt sein Wort als Alpha und Omega.

Der verehrte Gott war Shang Di, außerdem gibt es Zeugnisse für einen ausgeprägten Ahnenkult. Man huldigte den heiligen Bergen, den Göttern der Himmelsrichtungen und den Flußgöttern. Bei derartigen Zeremonien herrschten rauhe Sitten - nicht selten wurden Menschen geopfert.

Seit 1200 v.Chr. kannte man im militärischen Bereich Streitwagen mit großen vielspeichigen Rädern. Sie wurden von mehreren Pferden gezogen. Neben Waffen aus Bronze wurden Reflexbögen hergestellt. Die Armeen besaßen eine Truppenstärke bis zu 5000 Mann, und in den Städten baute man starke Befestigungsanlagen, z.B. dicke Mauern.

Die Metallverarbeitung der Shang verfügte über die fortschrittlichste Technologie dieser Zeit - keine andere Hochkultur der Welt konnte mit der Qualität ihrer Bronzeerzeugnisse konkurrieren.

Eine der wichtigsten Hauptstädte der Shang, die den Namen Yin trug, befand sich in einem Gebiet nahe des heutigen Ortes Anyang. Dort wurden diverse Königsgräber entdeckt, deren umfangreiche Grabbeigaben genaue Rückschlüsse auf die Kultur der Shang ermöglichen.

Die Ära Shang-Dynastie gilt als wahrscheinlicher Startpunkt für die Entwicklung der Akupunktur. Chinesische Ärzte verwendeten Steinsplitter, die Bian Shi genannt wurden, um die Qi-Zirkulation ihrer Patientien zu regulieren.



Ungefähre Ausbreitung der Shang-Dynastie;
Quelle: http://de.wikipedia.org



Das griechische Mittelalter (1100 bis 750 v.Chr.)

Im 12. Jahrhundert v.Chr. kam es in der mykenischen Bronzekultur zu einer rätselhaften, zumindest nicht vollständig aufgeklärten Katastrophe. Städte wie Mykene und Tiryns wurden zerstört, die Herstellung von Schmuck aus Gold und Bronze setzte aus, ebenso die Produktion von Keramik und Gebrauchsgegenständen. Der Handel ging zugrunde, die Linear-Schrift starb aus.

Die Gründe für den Niedergang der mykenischen Kultur sind nicht vollständig geklärt. Man vermutet einen Zusammenhang mit dem Einwandern eines kriegerischen griechischen Stammes auf der Peloponnes. Dieser Stamm, die Dorer, zerstörte Mykene und griff auch andere friedliebende Volkstämme an, die auf der Halbinsel lebten.

Allerdings werden auch weitere Gründe für den Niedergang der mykenischen Kultur angenommen, wie etwa Naturkatastrophen, Dürreperioden und Mißernten sowie Kriege innerhalb der griechischen Städte auf der Peloponnes und die damit verbundenden Wirtschaftskrisen.

Griechenland und Kreta;
Zerstörung der mykenischen Kultur ab 1200 v.Chr.

 


Die Zhou-Dynastie in China (1027 bis 221 v.Chr.)

Die Shang wurden im Jahr 1027 v.Chr. von den Zhou besiegt. Die Sieger klärten das Volk auch gleich darüber auf, weshalb die Shang untergegangen waren: Sie hatten das Mandat des Himmels verspielt, durch ihre sittlich verderbte Lebensweise den göttlichlichen Auftrag verloren. Dieser "Auftrag des Himmels" spielte fortan in der Geschichte Chinas eine bedeutsame Rolle, von nun an suchte jede Regierung, sich durch den Willen des Himmels zu legitimieren.

Das Volk der Zhou stammte aus Gegenden des westlichen Shang-Reiches. Nachdem sie die Macht ergriffen hatten, herrschten sie 300 Jahre lang unangefochten, aber 771 v.Chr. zwangen feindliche Invasoren die Zhou, ihre Hauptstadt ostwärts nach Luoyang zu verlegen.

Die allgemeine Situation zu Beginn der der Zhou-Dynastie muß man sich als eine konfliktreiche Zeit vorstellen, in der ca. 170 verschiedene kleinere Königreiche und Stammesverbände miteinander konkurrierten und sich gegenseitig auch kriegerisch bekämpften. Gegen Ende der Zhou-Dynastie, also um 480 bis 220 v.Chr. führte der zunehmende Machtverlust der Zhou-Könige zu einer immer stärkeren Zentralisierung.

Durch Zusammenschluß verschiedener Königreiche entstanden kompaktere Einflußsphären - zur "Zeit der streitenden Reiche" existieren nur noch sieben konkurrierende Königreiche. So verbündeten sich u.a. die Qi, die Zhou und die Qin in wechselnden Koalitionen und kämpften um die Vorherrschaft. In den Kämpfen ab 700 v.Chr. spielte zunehmend eisernes Kriegsgerät eine bedeutende Rolle.


Ungefähre Ausbreitung der Zhou-Dynastie;
Quelle: http://de.wikipedia.org



Europa im ersten Jahrtausend v.Chr.

Auf den Niedergang der mykenischen Kultur folgte in Europa eine Zeit des kulturellen Verfalls, die Jahrhunderte andauerte. Erst danach (etwa im achten Jahrundert v.Chr.) entwickelte sich die klassische griechische und später die römische Kultur, die ihrerseits viele Errungenschaften der Griechen übernahm.

Mit einer Verzögerung von etwa 200 Jahren ereigneten sich auch im übrigen Europa Entwicklungen, die den griechischen Verhältnissen ähnelten. Waffen aus Bronze und Eisen breiteten sich aus, Gerätschaften, Architekturformen und Riten deren Urformen man bereits bei den Griechen beobachten konnte, waren nun überall in Europa anzutreffen. Die sogenannte Hallstatt-Kultur (benannt nach einem Ausgrabungsort in Österreich) war von der Donau bis zum Atlantik verbreitet.

Viele Stämme der Hallstatt-Kultur waren von einer Kriegerkaste beherrscht. Seit etwa 500 v.Chr. stellte man überall in Europa Waffen und Gebrauchsgegenstände aus Eisen her. In Mitteleuropa, Spanien und der Türkei verbreiteten sich im Zeitraum von 500 bis 100 v.Chr. die Kelten, von denen es leider keine Schriftdokumente gibt. Das, was über sie geschrieben wurde, stammt von den Römern.

Die griechische Zivilisation war ein Bund von Stadtstaaten (z.B. Athen, Sparta), deren Kolonisation des Mittelmeerraumes gegen 800 v.Chr. stattfand, auch wenn die Ursprünge natürlich weiter zurück reichen. Diese Zivilisation entwickelte Philosophie, Wissenschaft, Sport, Politik, Theater und Musik zu außerordentlicher Blüte, und Alexander der Große verbreitete die griechische Kultur nach Persien, Ägypten und Indien. Die griechische Zivilisation zerfiel ab 400 v.Chr.

Die Römer übernahmen gegen 100 v.Chr. vieles von den Griechen. Von ihrem Machtzentrum am Mittelmeer aus regierten sie über ein Reich, dessen größte Ausdehnung später im 2. Jahrhundert bis England und Rumänien reichen sollte.

 

Zentralgebiete der Hallstatt-Kultur im
ersten Jahrtausend v.Chr.;
Quelle: http://de.wikipedia.org

 

Zeit der streitenden Reiche (481-221 v.Chr.)

Für den an historischen Wurzeln interessierten Kung Fu-Praktiker ist die Zeit der streitenden Reiche von besonderer Bedeutung, denn hier finden wir einige der entscheidenden Faktoren für die spätere Entwicklung der chinesischen Kampfkünste. Diese Phase der chinesischen Geschichte war von erbitterten Kriegen geprägt, in denen die verschiedenen Königreiche unter Einsatz immer neuer Taktiken und Waffen den militärischen Sieg zu erringen hofften.

Aufgrund von Fortschritten im Ackerbau und der damit verbundenen Erhöhung der Bevölkerungszahl wurde jetzt die Zusammenstellung von riesigen Armeen möglich. Das Heer eines Staates wurde zur Grundlage seiner Expansionspolitik.

Am Ende dieser kriegerischen Periode setzte sich Qin-König Zheng durch und nahm den Kaisertitel Shihuangdi an. Er galt als ein besonders harter und strenger Herrscher. Der erste Kaiser von China legte die Grundlage für umfangreiche Umstrukturierungen des gesamten Reiches, das nun von einer totalitären Zentralmacht mit Hilfe einer regionalen Beamtenschicht regiert wurde.

Die Vereinheitlichung von Schrift, Münzen, Maßen und Gewichten hat große Auswirkungen auf die Wirtschaft, gigantische Landwirtschafts- und Bauprojekte gestalteten das gesamte Land um. Infrastruktur und Verteidigungsanlagen wurden ausgebaut, Handelswege und -beziehungen erneuert und ausgedehnt, hier muß insbesondere die Seidenstraße erwähnt werden, auf der chinesische Güter bis ins Römische Reich gelangten.

Shihuangdi starb 210 v.Chr. In seinem gigantischen Grabmal, an dessen Errichtung angeblich bis zu 700.000 Arbeiter beteiligt waren, wurde 1975 die weltberühmte Terrakotta-Armee, bestehend aus 3200 individuell gestalteten Ton-Soldaten, entdeckt.

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KFSB, 10.11.2010

 

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